Ende März verbrachten wir ein paar Tage in den französischen Alpen. Genauer gesagt in einer hübschen Ferienwohnung in der südlich von Thônes befindlichen Gemeinde Les Clefs in den Hochsavoyen (Département Haute-Savoie).
Der vorherrschende Schneemangel machte sich in den Skigebieten der Umgebung bereits deutlich bemerkbar. Es war nämlich kaum etwas los auf den wenigen, noch befahrbaren Pisten rund um den nicht weit entfernten, am Fuß der Aravis-Kette gelegenen Wintersportort Manigod.
Am ersten Abend war uns nach deftiger Regionalkost zumute und so fuhren wir in die im Netz sehr gut bewertete „Vieille Ferme“, die sich von Les Clefs aus rund 15 km „weiter oben“ auf dem Col de Merdassier befindet. Hier auf knapp 1500 Meter über dem Meer erwartet einen eine idyllische Ski- und Wanderregion, eingebettet in die faszinierende Bergwelt des Massif des Aravis.
Eine herrliche Gegend, in der das als Hotel-Restaurant betriebene Bauernhaus seit 1984 seine Gäste empfängt. Dass hier der Baustoff Holz klar den Ton angibt, wurde bereits beim Anblick der Außenfassade mehr als deutlich. Wir parkten auf dem großen Parkplatz direkt vor dem Haus, passierten die verwaiste Terrasse und traten in das behagliche Bergrestaurant ein.
Drinnen herrschte hölzerne Rustikalität im gemütlichsten Sinne. Werkzeuge und landwirtschaftlich genutzte Geräte aus längst vergangenen Zeiten zierten die mit derben Holzblanken verkleideten Wände. Man platzierte uns in einem kuscheligen Eck zwischen einer alten, stimmig beleuchteten Anrichte und dem monströs gemauerten, mit dem alten Kochgeschirr aus Kupfer verzierten Kamin.
Ein Hauch von Heimatmuseum wehte durch diese urige Bauernhauskulisse, was jedoch keinesfalls kitschig wirkte, sondern die Ursprünglichkeit dieser Region sympathisch in den Vordergrund stellte. Dass hier im gebirgigen Osten Frankreichs gerne deftig aufgetischt wird, verdanken die Menschen nicht nur ihrem einzigartigen Naturraum (Flüsse, Wälder, Wiesen), sondern auch den kräftezehrenden Bedingungen, die in diesem landwirtschaftlich geprägten Landstrich ihre Bewohner zu nahrhafter Kost zwang.
Die junge Dame vom Service, die an diesem recht ruhigen Sonntagabend für uns zuständig war, hatte alles gut im Blick und fragte zeitnah nach unseren Getränkewünschen. Eine Flasche Leitungswasser wartete da schon – so wie sich das in Frankreich gehört – auf unserem Tisch. Eine nette und zugleich erfrischende Geste, die wir bei der guten Wasserqualität hier oben in den Bergen gerne annahmen.
Die Speisenkarten lagen bereits in Form von Platzsets auf der hellen Holzplatte unseres Bistrotisches. Eine aufklappbare Weinkarte aus Karton steckte zwischen Salz- und Pfefferstreuern. Das Fläschchen Apfelsaft aus dem Hause Granini für unser Töchterchen wurde mit freundlichen 3 Euro berechnet. Das alkoholfreie Kronenbourg 1664 Lager-Bier aus der 33-cl-Flasche für meine Gattin schlug mit 4 Euro zu Buche.
Mich gelüstete es an diesem Abend nach einem Rotwein aus der Region. Wie schön, dass es diesen auch in kleinen, sprich 0,375l-Flaschen zu erwerben gab. Aus dem sehr fair bepreisten Angebot an Flaschenweinen aus den Savoyen wählte ich einen fruchtigen 2022er Mondeuse vom Cave de Chautagne (14 Euro) aus Ruffieux (Nordspitze des Lac d’Annecy) im 375cl-Format.
Der purpurrote Wein aus dieser für die Savoyen typischen Rebsorte kam mit einem schlanken Alkoholgehalt von 11,5% ins Glas und duftete nach dunklen Früchten (Johannisbeere). Ein junger, fruchtbetonter Rotwein ohne viel Tanninschliff, dem zwar ein wenig die geschmackliche Tiefe fehlte, der aber später zu meinem bestellten Ofenkäse keine schlechte Figur machen sollte.
Der im Querformat gedruckte Wisch mit dem Speisenangebot wurde von uns ausgiebig studiert. Bei den gelisteten Spezialitäten aus der Region ging es wie erwartet sehr käselastig zu. Croque-Monsieur mit Reblochon, hausgemachte Tartiflette, Raclette und Käsefondue („Fondue Savoyarde“) lockten als typische Vertreter der gehaltvollen Savoyen-Küche.
Dem gemeinen Fleischesser wurde man mit Entrecôte in verschiedenen Ausführungen, Steak Haché und auf dem heißen Stein gebrutzelten Stücken von Rind, Ente und Truthahn gerecht. Auch ein paar außergewöhnlich klingende Burgervarianten hatten es in die übersichtlich angelegte Speisenpalette geschafft. Wer nach dem zünftigen Hauptgang noch Lust auf etwas Süßes hatte, für den stand eine große Auswahl an Desserts bereit.
Als großer Freund des „Mont d’Or au four“, also des in der runden Holzschachtel gratinierten Weichkäses aus dem Juragebirge, bin ich Ofenkäse gegenüber generell sehr aufgeschlossen. Hier war es ein stattlicher Vacherin de Savoie (330 Gramm), der in Folge der Ofenhitze als verflüssigte „Boîte chaude“ (= heiße Schachtel) mit herzhaften Wurstwaren, Pellkartoffeln und grünem Salat (23 Euro) auf den Tisch kam. Da ließ ich mich nicht zweimal bitten.
Meine Gattin mochte es dagegen nicht ganz so üppig und entschied sich für den Salat „Vieille Ferme“ (16 Euro), bei dem das grüne Blattwerk dank geräuchertem Schinken und geschmolzenem Reblochon auf Röstbrot dennoch eine handfeste Aufwertung erfuhr. Und unser Töchterchen durfte bei uns nach Lust und Laune räubern, was sie bei meinem Ofenkäse auch ausgiebig tat.
Dieser schäumte geradezu vor heißem Käseglück, als er zischend und dampfend direkt aus dem Backofen auf dem Teller landete. Zusammen mit zwei prächtigen Pellkartoffeln, einem kleinen Schüsselchen mit Blattsalat und deftiger Charcuterie ergab das ein eindrucksvolles Hauptgericht, das selbst den Hungrigsten (am Tisch) zu sättigen vermochte. Zusätzlich stand ein Körbchen mit aufgeschnittenem Baguette bereit, um als Unterlage für das opulente Schmelzkäseerlebnis zu dienen.
Der cremige Vacherin de Savoie stand seinem Kollegen aus der Franche-Comté, dem köstlichen Mont d’Or, in nichts nach. Das leicht „Holzige“ kam von der Fichtenrinde, die in umgab. Genau wie sein Weichkäsependant überzeugte auch er durch eine feine, leicht fruchtige Würze. Ich genoss mein Fondue Savoyarde aus der Holzschachtel in vollen Zügen, indem ich die Kartoffelstücke in das heiße Käsebad tunkte.
Der mit schmackiger Vinaigrette angemachte Blattsalat steuerte ein paar säuerlich-frische Akzente bei, die das deftige Mahl stimmig erweiterten. Mit den hervorragenden Wurstwaren (luftgetrockneter Schinken und Salami) veredelte ich die ein oder andere Baguettescheibe. In der Einfachheit verbirgt sich ja manchmal der größte Genuss.
Dieser wurde mit fortschreitender Zeitdauer lediglich durch die riesige Menge an Käse – war definitiv nicht von einer Person zu bewältigen – etwas gemindert. Die geschmolzene Vacherin-Masse wollte einfach nicht abnehmen, so sehr ich mich auch bemühte. Gut, dass sich da meine beiden Mädels erbarmten und auf ihren legitimen Flüssigkäseanteil aus der Holzschachtel bestanden.
Da tat sich meine Frau mit ihrem Salat „Vieille Ferme“ doch wesentlich leichter. Schon pur im frischen Zustand genossen, gilt der Reblochon de Savoie als Delikatesse. In geschmolzener Form auf geröstetem Baguette jedoch, vermag seine cremige Würze die Seele zu wärmen. Nicht nur Tartiflette-Enthusiasten wissen um sein Suchtpotenzial. Und ein Abendessen in diesem Teil der französischen Alpen darf schließlich nicht ohne den Rohmilchkönig der Haute Savoie zu Ende gehen.
Wir waren derart gesättigt, dass selbst die diversen Crêpes-Variationen von der Dessertkarte kein süßes Finale mehr erzwingen konnten. Hochzufrieden mit diesem gehaltvollen kulinarischen Auftakt auf knapp 1500 Meter ging es wieder zurück nach Les Clefs, wo unser Hauptaugenmerk auf der Verdauung der kräftigen Käsekost lag.
Die gemütliche Atmosphäre und das deftige Essen in der „Vieille Ferme“ haben uns den Einstieg in die nahrhafte Savoyen-Küche in authentischer Art und Weise geebnet und unsere Neugier für weitere handfeste Gaumenerlebnisse zwischen dem Lac d’Annecy (im Westen) und dem Aravis-Gebirge (im Osten) geweckt.
Elsassinator
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26 septembre 2024
8,0
Haven of peace (quiet) friendly, considerate and professional staff, welcoming hotel, you feel good there, restaurant you have to reserve because it is appreciated... A wish to come back... Thank you
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Patrick Masset
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21 août 2024
10,0